09 Juli 2006

Katzenkratzkrankheit

Die Katzenkratzkrankheit als Differenzialdiagnose des ‚Roten Auges‘
PD Dr. M.C. Jäckel, Dr. Tanja Glock, Dr. A. Künster

Zusammenfassung. In der vorliegenden Arbeit wird über zwei Fälle des sogenannten okuloglandulären Syndroms nach Parinaud berichtet, bei dem es sich um eine atypische Manifestation der Katzenkratzkrankheit handelt. Die Symptomatik besteht in einer einseitigen, subakuten Konjunktivitis, die mit einer Lidrötung und einer präaurikulären Lymphknotenschwellung einhergeht. Die Diagnose beruht im wesentlichen auf dem klinischen Bild und dem serologischen IgG-Nachweis. Eine Therapie ist in den meisten Fällen nicht notwendig.

Hintergrund. Rötungen des Auges und der Augenlider sind häufige Symptome, mit denen der Hals-Nasen-Ohrenarzt zum Ausschluß einer möglichen Sinugenese konfrontiert wird. Eine seltene Differenzialdiagnose ist das okuloglanduläre Syndrom nach Parinaud, das durch Bartonella henselae, den Erreger der Katzenkratzkrankheit, hervorgerufen wird. Im Gegensatz zu der sonst üblichen Übertragung durch Kratzverletzungen der Haut werden hierbei Keime in die Augenbindehaut inokuliert, wo sie eine granulomatöse, zumeist subakute Entzündung hervorrufen. Im weiteren Verlauf entwickelt sich eine ipsilaterale präaurikuläre Lymphadenitis. Trotz der oft augenfälligen Befunde haben die Patienten vielfach nur eine geringe Lokalsymptomatik und üblicherweise kaum Störungen des Allgemeinbefindens.

Die Durchseuchung der übertragenden Katzen mit B. henselae ist hoch und liegt bei ungefähr 40% (1). Die Erkrankung verläuft bei den Tieren inapparent. Sie geht jedoch mit einer mehrwöchigen Bakteriämie einher, während der die Tiere infektiös sind. Eine durchgemachte Infektion hinterläßt bei den Katzen eine lebenslange Immunität, so daß spätere Reinfektionen keine erneute Bakteriämie verursachen. Dies erklärt, warum das Infektionsrisiko für Halter junger Kätzchen besonders groß ist.

Berichtet wird über zwei Patienten, die im Jahr 2003 wegen eines okuloglandulären Syndroms an der HNO- und Augenklinik des Klinikum Darmstadt behandelt wurden. Die Diagnostik und Therapie der Erkrankung werden anschließend diskutiert.

Fall 1. Ein 12-jähriger Junge wurde unter dem Verdacht einer Sinusitis mit beginnender orbitaler Komplikation vorgestellt. Es bestand seit ungefähr 2 Wochen eine Rötung und Schwellung des rechten Oberlids, die mit einer Ptosis und leichten Schmerzen einherging. Fast parallel war es zu derben, leicht druckschmerzhaften Schwellungen im Bereich der Regio parotidea und des Kieferwinkels rechts gekommen. Das Allgemeinbefinden war zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt. Eine ambulant durchgeführte antibiotische Therapie mit einem oralen Cephalosporin hatte zu keiner Besserung geführt. Anamnestisch waren weder ein kurz zurückliegender grippaler Infekt noch rezidivierende Sinusitiden eruierbar. Der Junge hatte Kontakt zu einer als Haustier gehaltenen Katze, Biß- oder Kratzverletzungen waren nicht erinnerlich.

Die klinische HNO- und augenärztliche Untersuchung lieferte neben einer rechtsseitigen Lidphlegmone mit konjunktivaler Beteiligung Normalbefunde. Es ergaben sich insbesondere keine Anhaltspunkte für eine pathologische Sekretion im mittleren Nasengang oder eine Infektion der Tränenwege. Ein sinugenes Geschehen wurde darüber hinaus durch eine Computertomografie der Nasennebenhöhlen ausgeschlossen. Sonographisch stellten sich innerhalb der Glandula parotis rechts mehrere echoarme Raumforderungen dar. Die Entzündungsparameter waren sämtlichst im Normbereich. Bei zweimaligen Abstrichuntersuchungen aus dem Bindehautsack konnten keine Keime angezüchtet werden. Die serologische Untersuchung ergab einen positiven IgG-Titer (1:256; Norm < 1:64) für Bartonella henselae, der im Verlauf von 4 Wochen auf 1:1024 anstieg. Die Befunde für Adenoviren, Cytomegalie, EBV, Herpes simplex, Mumps, Borrelien und Toxoplasmose waren unauffällig. Bartonellen-spezifisches IgM war zu keinem Zeitpunkt nachweisbar.

Aufgrund des zunächst unklaren entzündlichen Geschehens wurde der Junge initial mit Unacid behandelt. Die Therapie erstreckte sich über 10 Tage und führte zu einer partiellen Remission. Nach Absetzen des Antibiotikums kam es innerhalb von 3 Wochen zu einer vollständigen Ausheilung.

Fall 2. Die 50-jährige Patientin litt seit über 4 Wochen an einer Rötung der rechtsseitigen Augenbindehaut mit wechselndem Fremdkörpergefühl. Eine Schwellung der ipsilateralen präaurikulären Lymphknoten war ungefähr 10 Tage später aufgetreten und hatte seither zu einer allmählich zunehmenden, druckschmerzhaften Hautinfiltration geführt. Ambulante Therapien mit Ciprobay und einem oralen Cephalosporin waren erfolglos geblieben. Die Patientin hat zu Hause eine 7 Monate alte Katze.

Im Bereich der Glandula parotis zeigten sich sonographisch mehrere echoarme Raumforderungen mit beginnender Einschmelzung. Eine Punktionszytologie ergab das Zellbild einer reaktiven, unspezifischen Lymphadenitis. Augenärztlicherseits wurde eine rechtsseitige Konjunktivitis mit Chemosis diagnostiziert und eine antibiotische Lokaltherapie eingeleitet. Die Laborparameter waren bis auf eine CRP-Erhöhung von 2,8 mg/dl unauffällig. Bei der serologischen Untersuchung zeigte sich der IgG-Titer für Bartonella henselae mit 1:512 deutlich erhöht, IgM war im Normbereich. Eine Kontrolle nach 4 Wochen ergab einen Titeranstieg auf 1:1024.

Unter der Verdachtsdiagnose einer beginnend eitrigen Lymphadenitis wurde die Patientin zunächst mit Unacid i.v. behandelt. Hierunter entwickelte sich im Bereich der Glandula parotis eine progrediente Einschmelzung, die nach einigen Tagen inzidiert und drainiert werden mußte. Im Eiter konnten bakeriologisch keine Keime nachgewiesen werden. Die histopathologische Begutachtung der biopsierten Abszeßmembran ergab eine unspezifische entzündliche Reaktion. Nach Erhalt der Serologie wurde die Antibiose auf ein orales Makrolid umgestellt. Hierunter kam es innerhalb von 4 Wochen zu einer vollständigen Ausheilung.

Diskussion. Die Katzenkratzkrankheit manifestiert sich im HNO-Bereich vorrangig als einseitige zervikale Lymphadenitis im Abflußgebiet einer primären Hautläsion (2). Die Verdachtdiagnose ergibt sich insbesondere bei Erfüllung der klassischen Trias Katzenkontakt, Hautpapel an der Eintrittspforte und regionale Lymphknotenschwellung. Die Inkubationszeit beträgt 1-2 Wochen. Das okuloglanduläre Syndrom nach Parinaud stellt eine der atypischen Formen der Erkrankung dar, die insgesamt rund 10% der Fälle ausmachen (3). Hierzu zählen auch die seltenen systemischen Verläufe mit Enzephalitis und atypischer Pneumonie, die vor allem bei immunsupprimierten Patienten zu beobachten sind.

Die Diagnose der Katzenkratzkrankheit ist zuweilen schwierig und beruht zu einem wesentlichen Teil auf dem anamnestisch-klinischen Bild und dem Ausschluß anderer Erkrankungen. Ein kultureller Nachweis des Erregers aus Lymphknotenpunktaten oder Bindehautabstrichen gelingt in nur rund 10% der Fälle (4). Der früher durchgeführte Hangar-Rose Hauttest mit Antigenen aus dem Eiter von Patienten gilt aufgrund des Risikos der Übertragung pathogener Viren mittlerweile als obsolet. Auch die histologische Untersuchung liefert üblicherweise keinen wegweisenden Befund. Es gibt keine spezifischen feingeweblichen Merkmale einer Katzenkratzkrankheit, das histopathologische Bild reicht von einer lymphoiden Hyperplasie über eine retikulozytär-abszedierende Lymphadenitis bis hin zu einer granulomatösen Herdbildung mit zentral verkäsender Nekrose (5). Eine Absicherung der Diagnose scheint dagegen durch den serologischen Antikörpernachweis im Enzymimmunoassay möglich zu sein. Seine Sensitivität beträgt 75% für IgG allein, 85% für IgG und IgM zusammen, allerdings nur 48% für IgM allein (6). Da gesunde Probanden lediglich zu rund einem Prozent seropositiv sind, sind sowohl der IgG- als auch der IgM-Nachweis für eine Erkrankung hochspezifisch. Dem entspricht auch die erst jüngst publizierte Beobachtung, daß beide Titer nach einer Erkrankung wieder zurückgehen. Nach Ablauf eines Jahres ist kein Patient mehr seropositiv für IgM und nur noch rund 25% für IgG (7). Aus diesem Grunde kann - bei entsprechender klinischer Symptomatik - auch der alleinige Nachweis von IgG als beweisend für eine akute Erkrankung gelten. Ergänzt wird das diagnostische Spektrum schließlich noch durch den ebenfalls hochspezifischen Nachweis bakterieller DNA mittels PCR, der allerdings nicht überall verfügbar ist (8).

Die Notwendigkeit einer Therapie bei Katzenkratzkrankheit ist umstritten. Die Erkrankung nimmt bei immunkompetenten Personen einen gutartigen und selbstlimitierenden Verlauf. Bei einer deutlichen Beschwerdesymptomatik oder bei Vorliegen einer abszedierenden Lymphadenitis erscheint allerdings eine antibiotische Therapie indiziert. Der Erreger ist üblicherweise empfindlich auf Makrolide, Gyrase-Hemmer und Tetrazykline (9).

1. Zangwill KM, Hamilton DH, Perkins BA, Regnery RL, Plikaytis BD, Hadler JL, Cartter ML, Wenger JD: Cat scratch disease in Connecticut. Epidemiology, risk factors, and evaluation of a new diagnsotic test. N Engl J Med 329: 8-13 (1993).
2. Dreher A, Grevers G: Katzenkratzkrankheit. Laryngo Rhino Otol 75: 403-407 (1996).
3. Ridder GJ, Richter B, Laszig R, Sander A: Parotisaffektionen bei Katzenkratzkrankheit: eine Differenzialdiagnose mit zunehmender Bedeutung. Larnygo Rhino Otol 79: 471-477 (2000).
4. La Scola B, Raoult D: Culture of Bartonella quintana and Bartonella henselae from human samples: a 5-year experience (1993 to 1998). J Clin Microbiol 37: 1899-1905 (1999).
5. Anderson BE, Neuman MA: Bartonella spp. as emerging human pathogens. Clin Microbiol Rev 10: 203-219 (1997).
6. Giladi M, Kletter Y, Avidor B, Metzkor-Cotter E, Varon M, Golan Y, Weinberg M, Riklis I, Ephros M, Slater L: Enzyme immunoassay for the diagnosis of cat-scratch disease definded by polymerase chain reaction. Clin Infect Dis 33: 1852-1858 (2001).
7. Metzkor-Cotter E, Kletter Y, Avidor B, Varon M, Golan Y, Ephros M, Giladi M: Long-term serological analysis and clinical follow-up of patients with cat-scratch disease. Clin Infect Dis 37: 1149-1154 (2003).
8. Sander A, Posselt M, Bohm N, Ruess M, Altwegg M: Detection of Bartonella henselae DNA by two different PCR assays and determination of the genotypes of strains involved in histologically defined cat scratch disease. J Clin Microbiol 37: 993-997 (1999).
9. Conrad DA: Treatment of cat-scratch-disease. Curr Opin Pediatr 13: 56-59 (2001).

Priv.-Doz. Dr. med. Martin C. Jäckel, HNO-Klinik Darmstadt, Heidelberger Landstr. 379, D-64297 Darmstadt. Tel.: 0049-6151-1074201, FAX: ++49-6151-1074299, e-Mail: martin.jaeckel@surfeu.de