12 Juli 2006

Mykobakterielle Halslymphknotenerkrankungen

Tuberkulöse und nichttuberkulöse mykobakterielle Erkrankungen der Halslymphknoten



Martin C. Jäckel1 und Burkhard Sattler2


1Universitäts-HNO-Klinik Göttingen
(Direktor: Prof. Dr. W. Steiner)
2Abteilung allgemeine Pathologie der Universität Göttingen
(Direktor: Prof. Dr. H.-J. Radzun)


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Autorenadresse: Dr. med. Martin C. Jäckel
Universitäts-HNO-Klinik
Robert-Koch-Str. 50
D-37075 Göttingen
Tel: 0551 - 392802
Fax: 0551 - 392809

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Extrapulmonale Manifestationen mykobakterieller Erkrankungen betreffen zu einem nicht unerheblichen Teil die Lymphabflußgebiete des Halses, die rund ein Drittel aller Lymphknoten des menschlichen Körpers enthalten. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein war ihre Inzidenz in den westlichen Industrieländern stetig rückläufig. Infolge der ansteigenden Zahl immunsupprimierter Patienten (v.a. HIV-Infektionen) sowie anderer, noch unbekannter Faktoren haben Mykobakteriosen in letzter Zeit jedoch wieder erheblich an Bedeutung gewonnen. Der vorliegende Beitrag gibt einen aktuellen Überblick über die Diagnostik und die Therapie myko-bakterieller Halslymphknotenerkrankungen sowie über ihre Abgrenzung von anderen entzündlichen und nichtentzündlichen Prozessen.


Eigenschaften und Einteilung der Mykobakterien

Mykobakterien sind schlanke Stäbchenbakterien, die sich nur unter aeroben Bedingungen vermeh-ren. Abgesehen von wenigen Arten weisen sie eine langsame Teilungsrate auf, weswegen ihr kultureller Nachweis eine wesentlich längere Zeit beansprucht als der der meisten anderen Bakterien. Ihre Zellwand ist besonders reich an Lipiden, die ihnen ihre charakteristische Säure-festigkeit verleihen. Einmal aufgenommene Farbstoffe werden unter einer Behandlung mit Salzsäure-Alkohol nicht wieder abgegeben. Diese Eigenschaft wird für den mikroskopischen Nachweis von Mykobakterien mit Hilfe der Ziehl-Neelsen-Färbung oder der fluoreszenzoptischen Auramin-Rhodamin-Färbung genutzt.

Mykobakterien werden in tuberkulöse und nichttuberkulöse Spezies eingeteilt.

Von den klassischen Tuberkelbakterien, die im Mycobacterium (M.) tuberculosis-Komplex zusammengefaßt werden (v.a. M. tuberculosis, M. bovis), ist die Gruppe der _ ubiquitären oder nichttuberkulösen Mykobakterien (engl. 'MOTT' = Mycobacteria other than tuberculosis) abzugrenzen. Hierbei handelt es sich um weitverbreitete, sehr resistente Saprophyten, die in der freien Natur vornehmlich in Wasserreservoirs, im Erdboden sowie im Staub vorkommen. Daneben lassen sie sich vielfach auch im Trinkwasser und einigen Lebensmitteln wie Milch, Eiern und Gemüsen nachweisen. Mit dem Rückgang der Tuberkuloseerkrankungen in den westlichen Industrieländern hat der medizinische Stellenwert nichttuberkulöser Mykobakterien deut-lich zugenommen. Derzeit sind ungefähr 70 Spezies definiert, die sich aufgrund ihrer Wachs-tumseigenschaften (Wachstumsgeschwindigkeit, Pigmentbildung) verschiedenen Gruppen zuord-nen lassen.

Nichttuberkulöse Mykobakterien weisen große Unterschiede in ihrer pathogenen Potenz auf.

Während der Nachweis von Mykobakterien des M. tuberculosis-Komplexes aus Körpergeweben oder -flüssigkeiten grundsätzlich als pathologisch anzusehen ist, ist bei ubiquitären Mykobakterien stets eine kritische Einzelfallbewertung erforderlich. Ihre pathogenetische Bandbreite ist groß und reicht von einer asymptomatischen Schleimhautbesiedlung über verschiedene Lokalmanifestationen bis hin zum disseminierten entzündlichen Organbefall, der vor allem AIDS-Patienten betrifft. Wenn auch die Mehrzahl der Spezies kaum eine nennenswerte pathogene Potenz besitzt, so sind dennoch Erkrankungen durch fast alle ubiquitären Mykobakterienarten beschrieben worden. Ihr Nachweis aus Sputum oder Stuhl entspricht somit in der Regel einer Besiedlung, bei entsprechender Allgemeinsymptomatik und eingeschränkter Immunabwehr des Patienten kann er jedoch auch auf eine disseminierte Infektion hindeuten. Finden sich atypische Mykobakterien hin-gegen in sterilem Körpermaterial wie Blut, Knochenmark oder Lymphknoten, so kommt ihnen - der Ausschluß einer sekundären Kontamination vorausgesetzt - natürlich immer eine Erregerfunktion zu.

Nichttuberkulöse Mykobakterien werden in der Regel nicht von Mensch zu Mensch übertragen.

Bakterien des M. tuberculosis-Komplexes werden vor allem durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen, wobei Patienten mit einer offenen Tuberkulose die Ansteckungsquelle sind. Eintrittspforte ist üblicherweise die Lunge. In seltenen Fällen sind auch Schmier-infektionen sowie eine Übertragung vom Tier auf den Menschen, z.B. durch die Aufnahme M. bovis-haltiger Milch möglich. Infektionen mit nichttuberkulösen Mykobakterien erfolgen dagegen durch die Inhalation von Aerosolen, die Nahrungsaufnahme sowie die Verschmutzung kleinerer Hautläsionen beim Baden, bei der Gartenarbeit oder ähnlichem. Eintrittspforten können sämtliche innere und äußere Oberflächen des Körpers sein, im Hinblick auf eine Erkrankung der Halslymphknoten sind es zumeist die Tonsillen, die Gingiva und die Konjunktiven. Im Gegensatz zur klassischen Tuberkulose spielt bei ubiquitären Mykobakterien eine Übertragung von Mensch zu Mensch kaum eine Rolle.


Pathogenese mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen

Die klassische Halslymphknotentuberkulose (auch 'Scrofula' genannt) ist zu etwa 95% eine sogenannte postprimäre Erkrankung, die durch Reaktivierung einer länger zurückliegenden pulmonalen Primärinfektion entsteht. Nach einer hämatogenen Streuung des Erregers kommt es durch Exazerbation zu einer tuberkulösen Entzündung der Halslymphknoten. In der Regel handelt es sich somit um die lokale Manifestation einer systemischen Erkrankung. In rund 5% der Fälle hat man es dagegen mit einer Lymphknotenbeteiligung im Rahmen einer orozervikalen Primärinfektion zu tun. Die Halslymphknotentuberkulose ist dann Teil des Primärkomplexes, wobei eine Generalisation der Erkrankung möglicherweise noch nicht stattgefunden hat.

Im Gegensatz dazu ist die nichttuberkulöse Mykobakteriose der Halslymphknoten - bei gegebener Immunkompetenz des Patienten - grundsätzlich als lokale Erkrankung aufzufassen. Sie entsteht durch ein Eindringen des Erregers in die Schleimhäute des Kopf-Hals-Bereichs und stellt gemeinsam mit dem klinisch zumeist unbedeutenden Primärherd eine Art 'Primärkomplex' dar. Eine Ausnahme bildet der disseminierte Organbefall immunkompromittierter Patienten (AIDS, Chemotherapie von Malignomen, Zustand nach Organtransplantation), bei dem eine Mitbeteiligung der Halslymphknoten vorliegen kann.


Klinik mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen

Leitsymptom ist die mehrwöchige, schmerzarme Vergrößerung eines oder mehrerer Hals-lymphknoten.

Die klinische Symptomatik mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen ist vieldeutig und besitzt üblicherweise einen subakuten bis chronischen Charakter. Wichtige diagnostische Hinweise sind neben einer mäßig derben Lymphknotenvergrößerung eine lange, oft mehrwöchige Anamnese, eine gering ausgeprägte Allgemeinsymptomatik, Schmerzarmut sowie eine Neigung zur Hautinfiltration und Fistelbildung. Darüber hinaus berichten viele Patienten über eine erfolglose antibiotische Vorbehandlung.

Das Alter des Patienten, die Lymphknotenlokalisation sowie die Vorgeschichte liefern zudem Anhaltspunkte für eine Differenzierung tuberkulöser und nichttuberkulöser mykobakterieller Erkrankungen [6]. Während die Tuberkulose die Mehrzahl der im Erwachsenenalter auftretenden Erkrankungen ausmacht und in den Entwicklungsländern dominiert, sind hierzulande rund 90% der kindlichen Mykobakteriosen der Halslymphknoten durch nichttuberkulöse Erregerspezies bedingt. Aufgrund des lokalen Charakters der Erkrankung manifestiert sich die nichttuberkulöse Lymphadenitis üblicherweise unilateral und in nur einer Lymphknotengruppe, bevorzugt submandibulär oder präaurikulär. Demgegenüber führt die Tuberkulose oft zu einem bilateralen und/oder multiplen Lymphknotenbefall und geht häufiger mit geringen Allgemeinsymptomen wie subfebrilen Temperaturen, Nachtschweiß und Gewichtsverlust einher. Die involvierten Lymphknoten finden sich bevorzugt in den dorsalen und kaudalen Halspartien.

Die klinische Abgrenzung von Lymphadenitiden anderer Genese ist schwierig.

Die sicherlich häufigste Differentialdiagnose mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen sind unspezifische Lymphadenitiden durch banale bakterielle oder virale Erreger. Ihre klinische Abgrenzung ist schwierig. Anamnestisch lassen sich neben dem zumeist akuten Beginn der Erkrankung möglicherweise dentogene, dermatologische oder den oberen Aerodigestivtrakt betreffende Infektionen eruieren, die einer unspezifischen Lymphadenitis oftmals vorausgehen oder parallel bestehen (z.B. Dentitio difficilis, Akne, Tonsillitis, Pharyngitis, Sinusitis, Sialadenitis). Darüber hinaus sprechen Fieber, Krankheitsgefühl und Druckschmerzhaftigkeit eher für eine unspezifische als für eine mykobakterielle Entzündung der Halslymphknoten.

Eine wichtige Differentialdiagnose ist ein Malignom!

Aufgrund des vielfach chronischen Charakters mykobakterieller Lymphadenitiden müssen differentialdiagnostisch immer auch eine Lymphknotenmetastase oder ein malignes Lymphom in Betracht gezogen werden. Abgesehen von ihrer härteren Konsistenz sowie einer eventuellen Primärtumorsymptomatik (z.B. Dysphagie) bieten tumoröse Veränderungen jedoch keine spezifischen klinischen Hinweise, so daß ihr endgültiger Ausschluß erst durch die feingewebliche Untersuchung möglich ist (vgl. Kapitel Diagnostik).

Weitere Differentialdiagnosen sind vor allem die infek-tiöse Mononukleose, die Toxoplasmose und die Katzenkratzkrankheit zu nennen. Die Lymphknotenaktinomykose kommt der mykobakteriellen Lymphknotenentzündung vom klinischen Bild her sehr nahe (Hautinfiltration, Fistelbildung), ist jedoch ausgesprochen selten.


Diagnostik

Relevante Informationen über eine mögliche mykobakterielle Erkrankung liefert die Tuberkulinprobe nach Mendel-Mantoux. Hierbei werden 10 Einheiten gereinigtes Tuberkulin in 0,1 ml Lösungsmittel streng intrakutan injiziert und das Ergebnis anhand des Durchmessers der Indu-ration nach 2-3 Tagen abgelesen. Ein positives Testergebnis liegt bei einem Indurationsdurch-messer von mehr als 5 mm vor.

Ein negativer Tuberkulintest schließt eine Tuberkulose praktisch aus.

Besteht eine aktive Tuberkulose, so fällt die Tuberkulinreaktion in der Regel hochpositiv (> 15 mm) aus. Umgekehrt ist bei einem negativen Testergebnis (Kontrolle notwendig!) eine Tuberkulose praktisch ausgeschlossen, sofern keine Immunsuppression seitens des Patienten besteht. Bei Infektionen mit nichttuberkulösen Mykobakterien kommt es häufig zu allergischen Kreuzreaktionen auf Tuberkulin, weswegen der Intrakutantest bei ungefähr 80% der Patienten schwach positive Resultate (5-10 mm Induration) zeigt. Mittlerweile sind auch gereinigte Proteinextrakte verschiedener nichttuberkulöser Mykobakterien kommerziell erhältlich. Ihre intrakutane Testung ist bis-lang wenig verbreitet, sie scheint jedoch eine Sensitivität von über 90% zu besitzen [3]. Die für Screening-Untersuchungen eingesetzten Stempeltests (PPD-Mérieux, Tine-Test, Tubergen-Test) sollten zur diagnostischen Abklärung einer Mykobakteriose nicht verwendet werden, da sie in 10-15% der Fälle zu falsch-negativen Resultaten führen.

Die Röntgenuntersuchung des Thorax kann ebenfalls wichtige diagnostische Hinweise lie-fern. Der Nachweis eines Primärkomplexes, einer einseitigen Hiluslymphknotenvergrößerung, eines einseitigen Pleuraergusses sowie von Dystelektasen oder Kavernen gehört zu den charakteristischen Zeichen einer Tuberkulose und erhärtet einen entsprechenden Verdacht. Die nichttuberkulöse Mykobakteriose geht beim immunkompetenten Patienten üblicherweise mit einem unauf-fälligen radiologischen Lungenbefund einher. Bei AIDS-Patienten, die an einer disseminierten Mykobakteriose erkrankt sind, finden sich dagegen oft atypische pulmonale Veränderungen. Eine Vergrößerung der mediastinalen Lymphknoten deutet auf das Vorliegen eines malignen Lymphoms oder - seltener - einer Sarkoidose hin (vgl. Tabelle 4).

Zum Ausschluß anderer Erkrankungen wie Mononukleose, Toxoplasmose und Katzenkratzkrank-heit sollten entsprechende serologische Untersuchungen erfolgen. Aufgrund der hohen Inzi-denz mykobakterieller Erkrankungen bei AIDS-Patienten ist die generelle Durchführung eines HIV-Tests zu empfehlen.

Letzten Endes erlauben diese klinischen Verfahren jedoch nur Vermutungen, so daß für die diagnostische Abklärung einer mykobakteriellen Halslymphknotenerkrankung eine chirurgische Gewebsentnahme erforderlich ist. Wegen der Gefahr von Fistelbildungen sollten dabei einfache Biopsien, Inzisionen und Drainagen möglichst vermieden und stattdessen eine komplette chirurgische Sanierung oder die Exzision eines befallenen Lymphknotens angestrebt werden (vgl. Kapitel Therapie). Alternativ wird an einigen Zentren zunächst eine Feinnadelpunktion durchgeführt [4]. Ihr klinisch-diagnostischer Nutzen läßt sich noch nicht abschließend bewerten.

Das histologische Bild mykobakterieller Lymphadenitiden ist sehr variabel und reicht von einer granulomatösen Entzündung mit verkäsenden Nekrosen bis hin zu einer retikulozytär-abszedierenden Lymphadenitis mit histiozytären oder epitheloidzelligen Infiltraten. Letztere wird auch bei der Katzenkratzkrankheit, der Aktinomykose und zuweilen bei der Toxoplasmose beobachtet. Bei AIDS-Patienten sieht man zudem häufig hypo- und areaktive Bilder, die ausgedehnte Nekrosen ohne einen nennenswerten Epitheloidzellwall zeigen. Eine Abgrenzung tuberkulöser und nichttuberkulöser Mykobakteriosen ist aufgrund des feingeweblichen Aspekts nicht möglich. Die Sarkoidose ist durch eine nicht verkäsende Epitheloidzellreaktion charakterisiert.

Das Direktpräparat erlaubt zudem den mikroskopischen Nachweis säurefester Stäbchen mit Hilfe der Ziehl-Neelsen- oder Auramin-Rhodamin-Färbung. Dieses Verfahren ist zwar schnell durchführbar, besitzt jedoch nur eine geringe Sensitivität, da für ein positives Resultat eine hohe Keimdichte erforderlich ist. Darüber hinaus ist eine Differenzierung zwischen Tuberkelbakterien und ihren nichttuberkulösen Verwandten ebenfalls nicht möglich.

'Goldstandard' der Mykobakterien-Diagnostik ist der kulturelle Nachweis.

Für die definitive Diagnose stellt der kulturelle Erregernachweis nach wie vor eine Art 'Goldstandard' dar, wenngleich er in rund 50% der Fälle nicht gelingt. Das hierfür vorgesehene Körpermaterial muß nativ eingesandt werden, besondere Transportbedingungen sind nicht erfor-derlich. Zur Anzucht stehen eigelbhaltige Festnährböden sowie verschiedene Flüssigmedien zu Verfügung. Ein Erregerwachstum läßt sich zumeist nach 3-4 Wochen nachweisen, im Fall der schnell wachsenden nichttuberkulösen Mykobakterien (vgl. Tabelle 1) bereits innerhalb von 7 Tagen. Die kulturellen Eigenschaften (v.a. Pigmentierung) erlauben eine vorläufige Gruppen-zuordnung. Für die anschließende Erregerdifferenzierung werden klassischerweise biochemische Tests eingesetzt, die nochmals mehrere Wochen in Anspruch nehmen können. Bis zum Abschluß der Resistenztestung, die insbesondere bei Bakterien des M. tuberculosis-Komplexes durchgeführt wird, vergehen somit im Durchschnitt insgesamt 11-12 Wochen!

Eine moderne und schnellere Nachweismethode in Flüssigkulturen ist das radiometrische BactecTM-Verfahren. Hierbei wird dem Medium radioaktiv (14C) markierte Palmitinsäure als Nährsubstrat zugesetzt. Das durch die metabolische Aktivität der Mykobakterien entweichende 14CO2 läßt sich in der Regel schon nach 10-12 Tagen Kultur nachweisen.

Zur raschen und eindeutigen Identifizierung der Erregerspezies werden heute anstelle biochemischer Tests zunehmend Gensonden-Assays eingesetzt, deren Palette stetig erweitert wird. Ihr Grundprinzip besteht in einer Hybridisierung speziesspezifischer Nukleinsäuresequenzen durch markierte DNA-Sonden, womit sich sowohl eine hohe Sensitivität wie auch eine hohe Spezifität des Tests erzielen lassen. Allerdings erfordert auch diese Technik eine vorhergehende Kultivierung der Mykobakterien, da sie für einen direkten Nachweis aus dem klinischen Probenmate-rial nicht ausreichend empfindlich ist.

Ein Direktnachweis von Mykobakterien könnte in Zukunft durch den Einsatz molekularbiologischer Amplifikationsverfahren (Polymerase-Kettenreaktion, Ligase-Kettenreaktion) zur klinischen Routine werden. Sie ermöglichen die millionenfache Vermehrung eines erregerspezifischen Nukleinsäureabschnitts und erlauben - in Verbindung mit einem entsprechenden Detektionssystem - innerhalb kurzer Zeit den In-vitro-Nachweis einiger weniger Bakterien. Die Indikationen für den Einsatz dieser recht kostspieligen Methode werden derzeit noch in klinischen Studien erarbeitet [8]. Besonders vielversprechend erscheint ihre Anwendung an Feinnadelpunktaten, womit sich die Invasivität der mykobakteriellen Diagnostik auf ein Minimum reduzieren ließe [1].

Die Tuberkulose ist bei Erkrankung und Tod meldepflichtig!

Die Tuberkulose der Atmungsorgane und der übrigen Organe unterliegt im Erkrankungs- und Todesfall, nicht jedoch im Verdachtsfall der Meldepflicht. Dies bedeutet, daß der Erreger mittels kultureller oder molekularbiologischer Methoden als Bakterium des M. tuberculosis-Komplexes identifiziert sein muß. Eine Meldepflicht für nichttuberkulöse Mykobakteriosen besteht nicht.


Therapieprinzipien

Die Tuberkulose ist eine systemische Erkrankung und muß daher immer systemisch-antibiotisch behandelt werden.

Die Behandlung von Patienten mit gesicherter Tuberkulose oder ausreichendem Tuberkulose-Verdacht fällt in erster Linie den Internisten beziehungsweise den Pulmonologen zu. Methode der Wahl ist eine 6- bis 9-monatige Dreifachtherapie bestehend aus Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid [9]. Bei Keimresistenz stehen Ethambutol, Streptomycin und weitere Präparate zur Verfügung. Chirurgische Interventionen kommen nur als adjuvante Maßnahmen zum Einsatz. Sie sind zur Entfernung großer, zentral eingeschmolzener Lymphknotenpakete und zur Sanierung etwaiger Fistelbildungen indiziert. Darüber hinaus kann eine operative Therapie bei nachgewiesener Keimresistenz notwendig werden.

Die nichttuberkulöse Mykobakteriose ist eine lokale Erkrankung, die nach Möglichkeit chirurgisch saniert werden sollte.

Aufgrund des üblicherweise lokalen Charakters nichttuberkulöser Mykobakteriosen (vgl. Pathogenese) ist ihre vollständige operative Sanierung mittels einer selektiven Lymphknotendis-sektion und/oder einer lateralen Parotidektomie die derzeit empfohlene Therapie der Wahl. Dieses Vorgehen führt in nahezu allen Fällen zu einer bleibenden Ausheilung, ohne daß es einer zusätzlichen Behandlung bedarf. Oftmals sind jedoch wichtige anatomische Strukturen wie Nerven und Gefäße in den entzündlichen Prozeß einbezogen, so daß die chirurgische Entfernung des befallenen Gewebes - gerade im Bezug auf den N. facialis oder einen seiner Äste - ein erhebliches Verletzungsrisiko mit sich bringen kann. Die Radikalität des Eingriffs hat sich dann eindeutig dem Funktionserhalt unterzuordnen. Verbliebene Residuen bedürfen jedoch einer zusätzlichen antibiotischen Therapie, da sie vielfach Erkrankungsrezidive mit chronischen Fistelungen nach sich ziehen.

Abgesehen von M. kansasii sind nichttuberkulöse Mykobakterien gegenüber den klassischen Tuberkulostatika weitgehend resistent. In vitro durchgeführte Empfindlichkeitstestungen erlauben keine zuverlässigen Rückschlüsse auf das klinische Ansprechen und besitzen lediglich einen hin-weisenden Charakter. Die antibiotische Therapie erfolgt daher weitgehend empirisch. Als wirk-sam haben sich Makrolide wie Clarithromycin und Azithromycin sowie einige Derivate klassischer Tuberkulostatika wie Rifabutin und Protionamid erwiesen. Eine generelle Therapie-empfehlung gibt es bislang nicht. Aufgrund eigener Erfahrungen scheint bei einem postoperativen Residuum der Erkrankung eine Zweifachtherapie, bestehend aus einem Makrolid und einem Derivat, ausreichend zu sein. Sie sollte sich über 3 Monate, mindestens jedoch 4 Wochen über den Zeitpunkt der Symptomfreiheit hinaus erstrecken [5]. In Einzelfällen mag auch eine alleinige Makrolidgabe genügen. In der aktuellen Literatur werden vielfach auch Therapien von 6-monati-ger Dauer vorgeschlagen [2, 7].


Klinischer Algorithmus

Eine definitive Diagnose mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen ist oftmals nicht möglich.

Die besondere Problematik mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen besteht darin, daß der kulturelle Erregernachweis zeitaufwendig ist und in vielen Fällen nicht gelingt. Die notwendigen Therapieentscheidungen basieren daher oft allein auf dem klinischen Bild, dem histologischen Untersuchungsbefund und/oder dem Ausschluß anderer Erkrankungen. Dies betrifft sowohl die Art und Weise der chirurgischen Intervention wie auch die Notwendigkeit einer anschließen-den medikamentösen Behandlung.

Für die Diagnose einer Mykobakteriose ist üblicherweise eine operative Gewebsentnahme erforderlich (vgl. Diagnostik). Prinzipiell sollten dabei große, zentral eingeschmolzene Lymphknotenpakete entfernt sowie etwaige Fistelbildungen saniert werden. Besteht klinisch der Verdacht auf eine nichttuberkulöse Mykobakteriose (Kinder mit einseitigen, submandibulär oder präaurikulär gelegenen Prozessen, kein Kontakt zu Tuberkulose-Kranken), ist primär die Exstirpation aller involvierten Lymphknoten im Sinne einer selektiven Neck dissection anzustreben, eventuell mit intraoperativer Schnellschnittdiagnostik. Ein zweizeitiges Vorgehen (erst Exzisionsbiopsie, dann Sanierung) sollte vermieden werden, zumal die im Intervall durchgeführte Diagnostik in der Regel auch keine definitive Klärung der Erkrankung ermöglicht. Besteht dagegen Tuberkulose-verdacht (bilaterale Lymphknotenschwellung, insbesondere bei Erwachsenen), so ist zunächst die Entfernung eines befallenen Lymphknotens vorzunehmen.

Unsicherheiten bestehen oftmals auch in der Frage der anschließenden medikamentösen Therapie. Dabei ist grundsätzlich zu bedenken, daß die Tuberkulose unbehandelt, d.h. ohne die systemische Gabe von Tuberkulostatika, potentiell lebensbedrohlich ist, die nichttuberkulöse Mykobakteriose - bei Immunkompetenz des Patienten - dagegen nicht. Im Zweifelsfall wird man daher einen Patienten mit klassischen Tuberkulostatika behandeln müssen, auch wenn diese gegenüber nichttuberkulösen Mykobakterien eine nur geringe Wirksamkeit aufweisen. Finden sich im Lymphknotengewebe eine epitheloidzellige Reaktion und/oder säurefeste Stäbchen, so orientiert sich die weitere Therapie zunächst allein an klinischen Faktoren, wie dem radiologischen Thoraxbefund, der intrakutanen Tuberkulintestung sowie dem Alter des Patienten. Bei Verdacht auf eine nichttuberkulöse Mykobakteriose stellt sich zudem die Frage nach der Vollständigkeit der operativen Sanierung. Das Resultat der mikrobiologischen Diagnostik steht üblicherweise erst nach einigen Wochen zur Verfügung. Hieraus ergeben sich nur dann mögliche Konsequenzen, wenn ein Erreger tatsächlich nachgewiesen und identifiziert werden kann. Da die Kultivierung jedoch unzuverlässig ist und in nur rund 50% der Fälle gelingt, ändert ein negativer Befund nichts an der einmal eingeschlagenen therapeutischen Vorgehensweise.


Zitierte Literatur


1. Baek CH, Kim SI, Ko YH, Chu KC (2000) Polymerase chain reaction detection of myco-bacterium tuberculosis from fine-needle asoirate for the diagnosis of cervical tuberculous lymphadenitis. Laryngoscope 110:30-34

2. Berger C, Pfyffer GE, Nadal D (1996) Treatment of nontuberculous mycobacterial lymphadenitis with clarithromycin plus rifabutin. J Pediatr 128:383-386

3. Daley AJ, Isaacs D (1999) Differential avian and human tuberculin skin testing in non-tuber-culous mycobacterial infection. Arch Dis Child 80:377-379

4. Ellison E, Lapuerta P, Martin SE (1999) Fine needle aspiration diagnosis of mycobacterial lymphadenitis. Acta Cytol 43:153-157

5. Jäckel MC, Witt O, Eber SW, Eiffert H, Laskawi R (1999) Die postoperative antibiotische Therapie von zervikalen Lymphadenitiden durch nichttuberkulöse, atypische Mykobakterien. Laryngo-Rhino-Otol 78:450-454

6. Kanlikama M, Gökalp A (1997) Management of mycobacterial cervical lymphadenitis. World J Surg 21:516-519

7. Losurdo G, Castagnola E, Cristina E, Tasso L, Toma P, Buffa P, Giacchino R (1998) Cervi-cal lymphadenitis caused by nontuberculous mycobacteria in immunocompetent children: clinical and therapeutic experience. Head Neck 20:245-249

8. Rosenkranz S, Waßermann K, Seelig R, Klein R, Koch A, Beuckelmann DJ, Erdmann E (1997) Stellenwert der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in der Diagnostik der Tuberkulose und der Mykobakteriosen durch ubiquitäre Mykobakterien. Pneumologie 51:78-86

9. van Loenhout-Rooyackers JH, Laheij RJF, Richter C, Verbeek ALM (2000) Shortening the duration of treatment for cervical tuberculous lymphadenitis. Eur Respir J 15:192-195


Übersichtsartikel


Kentrup H, Biesterfeld S, Haase G (1997) Nichttuberkulöse Mykobakterien als Ursache zervika-ler Lymphadenitiden im Kindesalter. Dt Ärztebl 94:A-2416-2419

Reischl U, Naumann L (1996) Molekularbiologische Methoden zum Nachweis von Mykobakte-rien. Fortschr Med 114:237-241

Schütt-Gerowitt H (1996) Ubiquitäre Mykobakterien: Klinische und mikrobiologische Aspekte. Med Klin 91:654-659

Schütt-Gerowitt H (1996) Erkrankungen durch ubiquitäre Mykobakterien. Fortschr Med 114:233-236