12 Juli 2006

Vorlesung Halsschwellung

Differenzierung der Befunde nach: Lage, Verschieblichkeit und Zahl, Größe, Festigkeit und Qual (Druckschmerzhaftigkeit)

Anatomische Halsdreiecke: Trigonum submandibulare, Trigonum submentale, Trigonum caroticum, Trigonum colli laterale.

Topografie der Halslymphknotenregionen nach Robbins (1991):
- Regio I: submandibuläre und submentale LK
- Regio II: obere iuguläre LK
- Regio III: mittlere iuguläre LK
- Regio IV: untere iuguläre LK
- Regio V: LK des lateralen (posterioren) Halsdreiecks
- Regio VI: LK des anterioren Halskompartiments

Genese von Halsschwellungen
- Entzündung (akut/chronisch; Weichteile, Lymphknoten, Schilddrüse, Speicheldrüsen)
- ‚Missbildung’ (z.B. Halszysten, Halsfisteln, Gefäßanomalien, Laryngozelen)
- Tumor (benigne/maligne; Metastasen, Lymphome, Sarkome, Struma)

Akute Entzündungen
(akute Symptomatik: Schmerzen, Schonhaltung, evtl. Rötung, Allgemeinsymptome)

Oberflächliche Weichteilentzündungen
- Furunkel, Karbunkel, infizierte Atherome oder Dermoide, Pyodermien
- Therapie: systemische Antibiose, ggf. Inzision und Drainage

Halsphlegmone
- diffuse Halsweichteilentzündung
- brettharte Schwellung, stark druckdolent, u.U. septisches Krankheitsbild
- Eintrittspforte?
- Antibiose, bei Vereiterung chirurgische Drainage
- Cave: Thrombophlebitis, Mediastinitis

Halsabszess
- mehr umschriebene Weichteilentzündung, meist von einem LK ausgehend
- Schwellung, Schmerzen, u.U. septisches Krankheitsbild
- CT mit Kontrastmittel: Einschmelzung mit typischem ringförmigem
Enhancement sichtbar
- Eintrittspforte? Genese durch malignes Geschehen?
- Therapie: Chirurgische Drainage, Antibiose, Entnahme einer Gewebsprobe zum
Malignomausschluss

Akute Lymphadenitis
- zumeist einseitige Schwellung, Schmerzen
- Prädilektionsalter: Kinder bis zum 10. Lebensjahr (Ursache typischerweise
Infekte), ältere Erwachsene (Ursache nicht selten Malignome)
- Abszessentwicklung möglich (vgl. Halsabszess)
- Suche nach Primärherd bzw. Eintrittspforte (HNO-Bereich, Zähne, Haut an
Kopf und Hals)
- Therapie: Antibiose, ggf. Primärherdsanierung
- Kontrolluntersuchung im Intervall: evtl. Residualbefunde abklären
(Malignome!!)

Chronische Entzündungen
(meist lange Anamnese, kaum Schmerzen, selten Allgemeinsymptome, evtl. Hautinfiltration, u.U. erfolglose Vorbehandlung)

Chronische Weichteilphlegmone
- harte Schwellung, Hautverfärbung, Fistelbildung
- DD: Fremdkörper, Malignome, Tuberkulose, selten: Aktinomykose


Chronische Lymphadenitis (= chron. Lymphknotenvergrößerung)

- unspezifische Lymphadenitis
Häufigste Ursache für chron. LK-Schwellung, ist aber nur
Ausschlussdiagnose!! Oft im Gefolge einer Infektion im HNO-Bereich, d.h.
der Primärherd (z.B. Tonsillitis) ist bereits ausgeheilt. Therapie:
Abwarten, evtl. probatorisch Antibiose.

- Halslymphknotentuberkulose
Inzidenz wieder zunehmend, Erreger sind Mykobakterien des Mycobacterium
tuberculosis-Komplexes. In 95% der Fälle hat die HLK-Tuberkulose eine
postprimäre Genese, d.h. es besteht Z.n. hämatogener Streuung, so dass die
Erkrankung einen systemischen Charakter hat. Betroffen sind v.a.
Erwachsene. Neigung zur Hautinfiltration und Fistelbildung, evtl. kalte
Abszesse. Histologie: epitheloidzellige Granulome mit Verkäsung.
Diagnostik: Histologie, Erregernachweis, PCR. Therapie: Tuberkulostatika
für 6-9 Monate. Meldepflicht.
(vgl. auch ‚Mykobakterielle Halslymphknotenerkrankungen’ auf der Website)

- Atypische Mykobakteriose
Inzidenz ebenfalls zunehmend, Erreger sind sog. MOTT (Mycobacteria other
than tuberculosis), über 70 Spezies bekannt, ubiquitäre Verbreitung.
Eintrittspforte sind die Schleimhäute im Mund-Rachen-Bereich, anschließend
Ausbildung eines Primärkomplexes durch Mitbeteiligung des/der
drainierenden Lymphknoten, es handelt sich somit (im Gegensatz zur
Tuberkulose) um eine lokal begrenzte Erkrankung. Histologie wie bei
Tuberkulose. Diagnosestellung überwiegend klinisch oder durch PCR (cave:
aufgrund der ubiquitärenVerbreitung der Erregers sind falsch-positive
Resultate durch Kontamination häufig). Therapie: chirurgische Sanierung,
evtl. Makrolid-Antibiotika, Derivate klassischer Tuberkulostatika.
(vgl. auch ‚Mykobakterielle Halslymphknotenerkrankungen auf der Website)

- Sarkoidose
Epitheloidzellige Granulomatose, die v.a. die mediastinalen LK und die
Lungen betrifft. Im Kopf-Hals-Bereich sind verschieden Haut- oder
Schleimhautmanifestationen wie auch ein solitärer Halslymphknotenbefall
möglich (meist supraklavikulär). Diagnose: Histologie, Röntgen-Thorax,
negative Tuberkulinprobe, ACE-Erhöhung im Serum. Therapie: Kortikosteroide.

- Lues
Halslymphknoten-Schwellungen können im Stadium I und II der Erkrankung
auftreten. Diagnose: Serologie. Therapie: Antibiose.

- Infektiöse Mononukleose (M. Pfeiffer)
Vollbild der Erkrankung besteht in einer akuten Tonsillitis mit
Fibrinbelag und massiver Halslymphknoten-Schwellung bds. Bei rund 80% der
Infizierten verläuft die Erkrankung jedoch inapparent oder mit nur
minimaler Symptomatik, wie z.B. solitärer Hals-LK-Schwellung. Diagnose:
Serologie. Therapie: symptomatisch.

- AIDS
Hals-LK-Schwellungen sind typische Erstsymptome der AIDS-Erkrankung.
Diagnose: Serologie.

- Toxoplasmose
Anamnestisch Katzenkontakt. Beim immunkompetenten Individuum i.d.R.
harmlose Erkrankung, die sich in mehrwöchigen LK-Vergrößerungen äußert und
üblicherweise spontan ausheilt. Diagnose: Serologie

- Borreliose (Lyme-Disease)
Erreger: Borrelia burgdorferi (Spirochäte), Übertragung durch Zecken.
Erkrankung durchläuft unbehandelt drei Stadien und kann sich an multiplen
Organen manifestieren. Typisch sind das Erythema chronicum migrans im
Stadium I und Arthritiden im Stadium II. Hals-LK-Schwellungen treten meist
frühzeitig in Erscheinung und können u.U. das einzige Symptom sein.
Diagnose: Serologie. Therapie: Antibiose.

- Katzenkratzkrankheit
Erreger: Bartonella henselae (gramnegatives Stäbchen). Typische Trias:
Katzenkontakt, Hautpapel an der Eintrittspforte, regionäre Lymphknoten-
Schwellung. Diagnose: Serologie. Therapie: üblicherweise spontane
Ausheilung, Antibiose nur bei Allgemeinsymptomen.
(vgl. auch ‚Katzenkratzkrankheit’ auf der Website)

- Brucellose
Erreger: Brucellen (gramnegative Stäbchen). Seltene Erkrankung, deren Bild
von chronisch-subfebrilen Verlaufsformen bis hin zur hochfieberhaften
Reaktion mit verschiedenen Organmanifestationen führen kann. Übertragung
durch Haus- und Nutztiere, prädisponiert sind daher Landwirte und
Tierärzte. Diagnose: Serologie.

- Tularämie (Hasenpest)
Erreger: Francisella tularensis (gramnegatives Stäbchen). Seltene
septikämische, zu Pneumonien führende Infektionskrankheit. Übertragung
durch Wildtiere (V.a. Nager), prädisponiert sind daher Jäger. Diagnose:
Serologie

- Malignomerkrankungen
Chronische Halslymphknoten-Schwellungen können grundsätzlich immer
Ausdruck einer bösartigen Tumorerkrankung sein (Metastasen, Lymphome).
Dies ist insbesondere bei älteren Erwachsenen zu beachten.


Diagnostik bei unklaren Halslymphknoten-Schwellungen

Anamnese
- Alter (atyp. Mykobakteriose, Mononukleose, Malignom)
- Fieber, Nachtschweiß (Tbc, Lymphome)
- Gewichtsverlust (Tbc, Malignom)
- Dysphagie, Heiserkeit (HNO-Karzinom)
- Juckreiz (Lymphom)
- Alkoholschmerz (Sarkoidose, M. Hodgkin)
- Tierkontakte (Toxoplasmose, Katzenkratzkrankheit, Brucellose, Tularämie)
- Zeckenbiß (Lyme-Borreliose)
- Gelenkbeschwerden (Lyme-Borreliose)

HNO-Untersuchung
- Anhalt für Primärherd (unspez. Lymphadenitis, Malignome, Lues)
- nasale Schleimhautgranulationen (Sarkoidose)
- Hautinfiltrate, Fisteln (Tbc, atyp. Mykobakteriose, Katzenkratzkrankheit,
Malignome, Aktinomykose)

- Kratzspuren am Hals (Katzenkratzkrankheit)
- Hauterythem (Lyme-Borreliose)

Ultraschall (B-Scan)
- Ausschluss Halszyste, Speicheldrüsdenerkrankung, Schilddrüsenerkrankung

Intrakutantests
- Tbc, atypische Mykobakeriosen

Laboruntersuchungen
- CRP
- großes Blutbild (Lymphome, Mononukleose)
- Serologie (TPHA, HIV, EBV, Toxoplasma gondii, Borrelia burgdorferi)
bei Bedarf auch Bartonella henselae, Brucella, Francisella tularensis

Röntgenuntersuchung des Thorax
- Tbc, Sarkoidose, Lymphomerkrankungen

Punktionszytologie

Lymphknotenentnahme zur histologischen Untersuchung